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Verwirrung an Weihnachten

Es ist kein Märchen, auch wenn es so klingen mag, es ist eine  wahre Geschichte.

 

Es waren einmal zwei Mädchen, Lisa und Betty, sie wohnten mit Ihrer Mutter, Großmutter, Onkel und Tante auf einem Bauernhof.

Der Vater war noch immer nicht aus der Kriegsgefangenschaft zurückgekehrt. Sehr wenig durfte er während des Krieges auf Fronturlaub zu Hause sein, dass erklärte auch, warum Lisa und Betty Ihren Vater zu dieser Zeit nicht sonderlich vermissten.

Umso mehr liebten sie Ihre Großmutter.

Wann immer ein Wehwehchen zu verarzten war oder man mit den Hausaufgaben nicht klar kam, auf Großmutter war immer Verlass. In dieser Zeit nach dem Kriege, herrschte akuter Mangel an Lebensmitteln, Kleidung, eigentlich an allen lebensnotwendigen Sachen. Da aber Lisa und Betty auf einem Bauernhof mit großem Obst- und Gemüsegarten lebten, mussten sie die Not vieler Kinder „nicht genügend zum Essen zu haben“ nicht teilen.

Daher waren neue Spielsachen, speziell eine neue Puppe ihr sehnlichster Wunsch.

Aber Spielsachen konnte man ebenso wenig kaufen, wie alles andere, und so mussten sie zufrieden sein, mit dem was sie besaßen. Der alte Roller, der schon oft ein Rad verloren hatte, ihr Teddy der nicht mehr brummen wollte.

Auch die zwei alten Puppen deren Arme und Beine wie schlaffe Säcke herunterhingen, weil des öfteren schon die Nähte aufgegangen und der Inhalt sich zeigte.

Stets wurde auch um den einzigen Puppenwagen gestritten, meist wollten beide gleichzeitig mit Ihren Puppen spazieren gehen.

 

Keinesfalls konnten Lisa und Betty aber nur ans spielen denken, auch häusliche Pflichten gehörten zu ihrem Tagesablauf.

Waren aber dann all ihre Pflichten erfüllt, stand dem fröhlichen Treiben um die vor dem Haus stehenden Lindenbäume nichts mehr im Wege.

 

Bald waren Sommer und Herbst vergangen, und das Spielen unter den Lindenbäumen neigte sich dem Ende.

Der Winter kündigte sich an, über Nacht war der erste Schnee gefallen.

Endlich Adventszeit, Ihre Herzen füllten sich mit Freude, ...mit Freude auf das bevorstehende Christfest.

Lisa und Betty dachten nun auch hauptsächlich an die zum Verzehr freigegebenen Plätzchen, Äpfel und Nüsse.

Wovon man in diesen Tagen so viel essen durfte, dass die Bäuche zu platzen drohten.

Dabei aber, vergaßen sie auch ihre gemeinsame Freundin Edith nicht, welche aus ihrer oberschlesischen Heimat vertrieben worden war und nun in ihrem Ort eine neue Heimat gefunden hatte, denn ihr ging es nicht so gut.

Großmutter saß mit ihrem Spinnrad, nun am wärmenden Ofen und verspann die Wolle der Schafe. Dabei erzählte sie lustige Geschichten aus ihrer Kindheit und nicht selten schlief sie darüber ein.

Dies nahmen Lisa und Betty zum Anlass sich leise davon zu schleichen. Während die Mutter und die übrigen Familienmitglieder im Stall noch mit dem Füttern der Tiere beschäftigt waren, zog es Lisa und Betty an Mutters Kleiderschrank um sich ihrer Sonntagskleider und Stöckelschuhe zu bedienen. Das Spiel nannten Lisa und Betty „feine Damen“ und das wiederholte sich so oft wie Großmutter über Ihrem Spinnrad eingeschlafen war.

 

Eines Abends man wollte diesem Spiel erneut frönen - aber was war denn das? Der Schrank verschlossen? Sie schauten sich an und beiden war klar, dass hatte etwas zu bedeuten?

Zunächst Ratlosigkeit bei den Kindern, bis Betty den Vorschlag unterbreitete, sämtliche im Haus befindlichen Schlüssel zu besorgen, in der Hoffnung das einer bestimmt passen würde.

Tatsächlich, mit dem Schlüssel des Küchenschrankes ließ sich auch Mutters Schrank öffnen.

Ihre Vermutung, da könne nur etwas versteckt sein, sollte sich bald bestätigen. Zwei mit rosa Band zusammengehaltene weiße Schachteln boten sich ihren neugierigen Blicken.

Die große Frage: Was konnte da nur drinnen sein?

Ihre Neugier ließ sich nicht mehr zügeln, Lisa und Betty mussten wissen was sich in diesen Schachteln verbarg. Alle Vorsicht wurde in den Wind geschlagen, schnell und beherzt wurden die rosa Bändchen aufgezogen und den Deckel mit angehaltenem Atem vorsichtig geöffnet.

Was sich da ihrem Blicken darbot, ließ sie erneut den Atem stocken, ihre Augen begannen zu funkeln wie Sterne in der Nacht.

So wunderschöne in blau und rot gekleidete Puppen hatten die beiden Mädchen ja überhaupt noch nie gesehen in ihrem Leben.

Rasch verstauten die beiden Mädchen die Schachteln wieder im Schrank und verschlossen die Schranktür. Ihre Augen leuchteten noch lange an diesem Abend.

In den darauf folgenden Tagen konnte man die Zeit kaum erwarten, bis Großmutter über Ihrem Spinnrad etwas eingeschlafen war, um endlich wieder die wunderschönen Puppen zu bestaunen.

Aber schon bald machte sich der Wunsch breit, die wunderschönen Puppen nicht nur anzuschauen, nein, man wollte sie auch mal in den Arm nehmen. Gesagt, getan, schnell war auch geklärt wem die rot gekleidete besser gefiel und wem die blaue besser gefiel.

Die anfängliche Vorsicht war längst der Dreistigkeit gewichen und man spielte selig mit den neuen Puppen.

Jetzt nur nicht unangenehm auffallen und alle häuslichen Pflichten erledigen, so dachten sich die Mädchen. Mutter ließ die Bemerkung fallen, „Wer so brav ist, den wird das Christkind auch belohnen"! Die Blicke der beiden kreuzten sich, wussten sie doch schon längst, was das Christkind in diesem Jahr bringen würde.

Noch nie aber hatten Lisa und Betty das Christkind gesehen.

Immer waren die Geschenke in der Nacht, während sie schliefen, unterm Weihnachtsbaum abgelegt worden.

In diesem Jahr werde das Christkind bestimmt kommen, dass hatte ihnen Großmutter schon verraten.

Der Heilige Abend war gekommen, unter dem mit Kugeln und Kerzen geschmückten Weihnachtsbaum lagen Äpfel, Nüsse und Plätzchen und im ganzen Haus roch es nach köstlichen Bratäpfeln.

Nur für kurze Zeit durften die Kerzen angezündet werden, denn sie mussten ja noch für das darauffolgende Jahr reichen.

Die Familie war in der guten Stube versammelt, Großmutter stimmte leise ein Weihnachtslied an. Keiner hatte bemerkt, wie Mutter still und heimlich aus dem Zimmer verschwunden war. Plötzlich lautes Schellen einer Glocke!!!!

Aufgeregt flüchten Lisa und Betty auf Großmutters Schoß.

Das musste das Christkind sein, und ihre Herzen klopften so laut, das sie gar nicht hörten, wie Großmutter rief „Komm nur herein“!

Die Tür ging auf und das Christkind trat ein.

Mit großen Augen schauten sie auf das Christkind, eigentlich hatten sie es sich ganz anders vorgestellt, wie ein Engel mit richtigen Flügeln, einem langen weißen Kleid mit goldenen Rüschen, mit langem Engelshaar und einer sanften Stimme.

Mit einer ziemlich derben Stimme und der Frage: „Wart ihr auch immer schön artig?“ wurden sie aus ihrer Phantasiewelt gerissen.

Ganz fest umklammerten sie Großmutters Schulter und trugen mit bebender Stimme, das von Großmutter gelernte Verschen vor.

„Liebes gutes Christkindlein, schaue nicht so grimmig drein, stecke Deine Rute wieder ein, wir wollen immer artig und fleißig sein.“

Das Christkind schien sichtlich zufrieden, denn ohne zögern wurden an die beiden Mädchen, die ihnen schon längst vertrauten Schachteln überreicht. Geschwind waren Bändchen und Deckel entfernt, aber statt Freude nur ellenlange Gesichter.

„Nein das ist nicht die Meinige“ sprach Lisa mit heißer Stimme „die andere mit dem blauen Kleid und den Zöpfen gehört mir, dass ist meine Grete!“

Durch die Verwirrung in der Stube war gar nicht aufgefallen, dass das Christkind gegangen war und Mutter mit der Bemerkung „sie habe noch mal draußen nach dem Rechten sehen müssen“ wieder ins Zimmer kam.

Lisa und Betty waren sich einig, dass Christkind kann doch nicht alles sehen, wie es immer so schön heißt, sonst hätte es doch wissen müssen, wer sich welche Puppe schon ausgesucht hatte.

Aber der Mutter mussten sie nun alles beichten, zumal die Kleider der Puppen gar nicht mehr neu aussahen.

 

Alles nahm ein gutes Ende, jede der beiden Mädchen bekam ihre geliebte Puppe.

Nur sollte Bettys Puppe keine lange Lebensdauer beschieden sein, nach nur kurzer Zeit der Freude war sie heruntergefallen und der Kopf in tausend Stücke zersprungen. Aber in ihrer Phantasie sieht Betty noch immer eine Puppe mit weißem Pelz besetztem rotem Samtkleid und blonden Locken.

 

Während Lisas Puppe „Grete“ in diesem Jahr am Heiligen Abend 60 Jahre alt wird.

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